Gottlieb und Amalia, ein junges Paar mit zwei Kindern, Hilde und Herbert, lebten in Neckarau.
Neckarau, ein Vorort von Mannheim mit großen Industrieanlagen wie z. B. Lanz (weltweit bekannte Traktor mit dem Namen „Bulldog“) - heutige John-Deere, die Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik (damals die größte Celluloid-Fabrik Deutschland) in der u. a. auch die heute noch bekannte Schildkrötenpuppe und die erste Venylplatte (Schallplatte) hergestellt wurden – ein sich selbst versorgende Fabrik mit eigenem Kraftwerk und Wasserversorgung (der Wasserturm steht heute noch) und in der „Blütenzeit“ weit über 10.000 Menschen beschäftigt hat.
Nur die Bahnlinie trennte „die Gummi“, wie sie im Volksmund genannt wurde, von Neckarau. Es gab 2 große beschrankte Bahnübergänge, über den die „Massen von Menschen“ nach getaner Arbeit in Neckarau ankamen. Ein Bahnübergang mündete in die Friedrichstraße, die so genannte 1a-Lage von Neckarau. Nach dem Bau der Überführungsbrücke ist heute außer den Versorgungsleitungen vom Großkraftwerk nichts mehr vom Bahnübergang zu sehen.
Gottlieb arbeitet in Mannheim, radelte jeden morgen zum "Benz" (heute Mercedes Benz) und war dort als Schlosser tätig. Bis zu dem Tag als auch ihn die Wirtschaftkrise traf und er arbeitslos wurde. Was nun? Familienvater, Alleinverdiener mit zwei kleinen Kindern von 9 und 5 Jahren. Gottlieb, eine Frohnatur, der gerne und mit vielen Ideen arbeitete, sah das nicht, wie man heute sagt als Problem sondern als Chance
Mit großer Unterstützung durch Amalia macht er sich 1930 selbständig. Singend zog er mit seinem Pferdewagen durch Neckarau, Almenhof und dem gerade entstehenden Lindenhof und verkaufte Obst und Gemüse. In einem kleinen Haus in der Fischerstraße verkaufte Amalia in einem noch kleineren Zimmer frische Eier, Kartoffel und Obst.
Gottlieb liebte den Handel mit Obst und Gemüse und er liebte die Menschen. Er vergaß nie, dass er selbst als kleiner Junge mit seinem erblindeten Vater und den Geschwister in bescheidenen Verhältnissen leben musste.
Gottlieb und Amalia kauften das kleine Geschäftshaus an der Ecke Schulstraße / Katharinenstraße in dem sich ein Hutgeschäft befand. Gottlieb war es „wurscht“, dass dies nicht die 1a Lage war, sondern sich der Laden mitten im Wohngebiet befand – sie waren stolz ein eigenes Haus und Laden zu besitzen … und selbständig arbeiten, mit Menschen umgehen, das war seine Welt.
Es wurde ein turbulentes Obst und Gemüsegeschäft und die Schulstraße blühte auf. Gottlieb organisierte und verkaufte, war der ständig antreibende Motor … immer Menschenfreund und vergaß nicht ….
Die Kinder, Hilde und Herbert, wuchsen im Wirbel dieses Geschäftes auf.
Der beginnende Krieg veränderte auch das Leben in Neckarau. Durch die Industrie war Neckarau ein primäres Ziel der Alliierten-Bomber. Neckarau wurde fast vollständig zerstört. Gottlieb war als Soldat in Frankreich und Amalia versorgte die Familie … und warf einen Brandsatz aus dem Haus, um es zu retten. Herbert, der Sohn absolvierte seine Kaufmannslehre und musste in den Krieg, nach Russland, aus dem er erst wieder nach leidvoller Gefangenschaft am 31.12.1949 zurück kam. Schwere und schlimme Zeiten. … Gottlieb und Amalia hätten lieber das Geschäft weiter entwickelt.
Aufbruchstimmung in Deutschland, Aufbruchstimmung auch in Neckarau. Das Geschäft läuft. Gottlieb und Amalia haben mit der Tochter Hilde und deren Mann Hans Kraft tatkräftige Unterstützung bekommen.
Das Haus wird mehrmals um- und angebaut, den Bedürfnissen des Geschäfts angepasst – Geschäft pur.
Die Mitarbeiter sind in der Familie integriert … es ist eine Großfamilie.
Herbert heiratet Johanna (Hannel) Zeilfelder. Hannel, deren Familie schon seit mehreren Generationen Neckarauer ist, muss sich schnell im turbulenten Haus einleben. Dabei hilft ihr, dass ihre Eltern selbst ein Obst-und Gemüse Geschäft mit Frischfischverkauf in Neckarau, Rheingoldstraße haben – und sie damit aufgewachsen ist.
Die Familie wurde noch größer, Christel und Traudel wurden geboren. Christel, die ältere der beiden Töchter, wurde in den späteren Jahren mit ins Geschäft integriert – Gottlieb hatte immer Aufgaben für sie. Heute sieht Christel dies schmunzelnd, sie hatte doch viel vom Großvater gelernt und vermittelt bekommen.
Der größte Umbau – das Haus wird gesenkt, der Geschäftseingang wird ebenerdig. Parallel wird das Nachbargeschäft angemietet – der Verkauf geht weiter. Die Markthalle war eröffnet.
Herbert und Hannel übernehmen den Betrieb. Amalia und Gottlieb, die weiter im Haus wohnen, helfen tatkräftig mit – Gottlieb hat bis zu seinem Tod im Jahre 1977 immer noch mit Rat und Tat zur Seite gestanden …
In Folge eines tragischen Unfalls verstarb Amalia an ihren Verletzungen. Gottlieb fehlt Amalia – er trauert bis zu seinem eigenen Tod.
Herbert und Johanna gehen in den Ruhestand. Das Geschäft wird an ein fleißiges und ebenfalls erfolgreiches Ehepaar in den folgenden 15 Jahren vermietet.
Die Tochter Christel ist mittlerweile mit Gerhard Hausi verheiratet und lebt mit Ihrer Familie in Ketsch. In den folgenden Jahren kommen die Kinder Mercedes und Amadeus zur Welt. Gerhard ist gebürtiger Neckarauer … in der 3. Generation. Der Urgroßvater, der Koch(e) Fritz, ein Urgestein von Neckarau. Somit bleibt alles zusammen.
Die andere Tochter, Traudel, ist verheiratet, haben eine Tochter und leben in Italien.
Das Geschäft wird neu vermietet und findet in den folgenden Jahren nicht mehr die Energie von Gottlieb.
Herbert stirbt mit 81 Jahren – mit der Trauer stehen auch geschäftliche Entscheidungen an. Soll der Komplex verkauft werden oder beginnen wir die Geschichte neu und investieren.
Christel und Gerhard wollen das „Elternhaus“ erhalten und nehmen sich der Sache an. Das Haus muss wieder mal einen Umbau über sich ergehen lassen – es soll im neuen Glanz erstrahlen.
Das Haus wird komplett renoviert – viel Schweiß, Gehirnschmalz und Geld … immer mit viel Herzensblut, so zieht „der Geist von Gottlieb und Amalia“ wieder in die Räume ein.
Das Geschäft wird erhalten. Ein Coffee-Shop und ein moderner „Tante-Emma-Laden“ sollen entstehen.
Die Hausi`s kommen wieder nach Neckarau – eröffnet wird ein moderner Coffee-Shop mit dem „Geist von Gottfried“ – Kaffeegenuss bezahlbar.
Die Geschichte wird fortgesetzt.
Das Haus feiert seinen 100jährigen Geburtstag.
Besuchen Sie uns doch auf einen leckeren Kaffee!